Liebe im römischen Bad?
Karibischer Wirbel in der Villa Borg
Dayamis überraschende Einladung
Dayami konnte es selbst kaum glauben: Eine Einladung ins beschauliche saarländische Dorf Borg – genauer gesagt zur historischen Villa Borg – flatterte in ihr E-Mail-Postfach.
Als 34-jährige lebensfrohe Frau aus La Habana, Kuba, war sie tropische Temperaturen und Salsarythmen gewohnt, nicht aber römische Villen inmitten eines deutschen Waldes. Neugierig folgte sie der Einladung zu einem internationalen Kultur- und Verwaltungsprogramm.
„Warum nicht?“, dachte sie sich mit einem breiten Lächeln. Schon im Flugzeug übte sie gedanklich, die Namen deutscher Dörfer auszusprechen, während sie karibische Sonne im Herzen trug und voller Vorfreude auf das Abenteuer blickte.
Nach einer langen Reise – Havanna, Frankfurt, dann weiter nach Saarbrücken und schließlich mit dem Regionalzug nach Perl-Borg – kam sie an. Kaum stieg sie aus dem kleinen Zug, wurde sie von einem herzlichen Empfangskomitee begrüßt.
An ihrer Spitze: Dominika Schalk-Freudiger, die Organisatorin des Programms. Dominika, eine quirlig wirkende Frau Mitte vierzig mit blitzenden Augen, schüttelte Dayami überschwänglich die Hand. „Willkommen in Borg! Oder wie wir hier sagen: Moiin!“ lachte sie in breitem Lokaldialekt.
Dayami verstand zwar nicht jedes Wort, aber die Gastfreundschaft spürte sie sofort. Der erste Eindruck: Ein Dorf wie aus dem Bilderbuch – Fachwerkhäuschen, sanfte Hügel, Weinreben in der Ferne – und mittendrin eine rekonstruierte römische Villa, die auf sie wartete.
Erste Eindrücke: Karibik trifft Saarland
Auf dem Weg vom Bahnhof zur Villa erzählte Dominika eifrig. Sie sprach über das Projekt, das Kultur und Verwaltung zusammenbringen sollte – ein bunter Austausch, bei dem internationale Teilnehmer das lokale Leben kennenlernen und eigene Ideen einbringen.
Dayami nickte, auch wenn sie immer wieder abgelenkt war: überall neue Eindrücke! Eine gemütliche Gaststätte Scherer mit Blumenkästen an den Fenstern zog ihren Blick an.
Vor dem Gasthaus hockten ein paar ältere Herren, die Karten spielten und ihre Stammtischrunde hielten. Einer hob den Kopf, als er die Neuankömmlinge sah, und rief: „Ei guude! Hunn mir en Neige?“, was Dayami nicht verstand – aber sein breites Grinsen war ansteckend. Sie grüßte fröhlich zurück: „¡Hola!“, was bei den Herren ebenso für Verwunderung wie Heiterkeit sorgte.
Die Luft war frisch und würzig, es roch nach Wald und einem Hauch von verbranntem Holz – vermutlich wurde irgendwo ein Schwenker, der traditionelle saarländische Grill, angeworfen. Dayami sog all das begierig ein.
So fremd war diese Welt im Vergleich zu Havanna, und doch fühlte sie sich merkwürdig wohl. Dominika zeigte auf ein Gebäude: „Dort drüben ist unser Dorfgemeinschaftshaus.
Hier finden oft Tanzabende statt – allerdings eher Walzer und Discofox.“ Sie zwinkerte. Dayami lachte leise. Tanz – da war sie in ihrem Element. Sie konnte es kaum erwarten, etwas karibische Salsa in diese Gegend zu bringen.
Verzaubert vom römischen Wellness
Schließlich standen sie vor der Römischen Villa Borg selbst. Das rekonstruierte Herrenhaus ragte beeindruckend vor ihnen auf; warmes Licht fiel durch die Fenster. „Das hier wird für die nächsten Wochen dein Zuhause sein“, erklärte Dominika stolz.
Die Villa war eine Mischung aus Museum, Kulturzentrum und – zu Dayamis Freude – hatte sie einen vollständig funktionstüchtigen römischen Wellnessbereich. Als Dominika das erwähnte, strahlten Dayamis Augen: Ein römisches Bad mit frigidarium, caldarium und tepidarium, also kaltem, warmem und lauwarmem Bad – und das alles funktionsfähig!
Sie konnte ihr Glück kaum fassen. „Wie ein antikes Spa?“, fragte sie ungläubig. Dominika nickte: „Ganz genau. Du kannst dich also schon mal auf einen echten Römer-Wellnessabend freuen.“
Beim ersten Rundgang durch die Villa verlor Dayami fast den Anschluss an die Gruppe, so sehr zog es sie magisch in Richtung des Badetraktes.
Die Wände waren mit römischen Mosaiken verziert, und aus einer Ecke dampfte es verheißungsvoll. „Darf ich...?“ fragte Dayami mit leuchtenden Augen. Dominika lachte: „Nur zu, schau dich ruhig um. Wir treffen uns danach zum Abendessen.“ Dayami schlüpfte durch den Bogen in den Wellnessbereich.
Drinnen umfing sie ein Hauch von Vergangenheit: Das caldarium war wohlig warm, Nebelschwaden aus heißem Wasser stiegen in den kunstvoll gemauerten Raum.
Sie tauchte die Hand ins Wasser – perfekt temperiert. Ein leiser Seufzer der Wonne entfuhr ihr.
„Das ist himmlisch“, murmelte sie. In diesem Moment glaubte sie fast, am Rande des Dampfs eine schemenhafte Gestalt in Toga zu sehen, die ihr zublinzelte – ob es wohl der Geist eines römischen Badewärters war, der die neue Besucherin begrüßte?
Dayami musste grinsen bei dem Gedanken. Kurzerhand zog sie ihre Schuhe aus und tauchte die Füße in das Becken.
Karibikfeeling auf römisch-saarländische Art: warmes Wasser statt Meeresbrandung, Mosaikfliesen statt Sand, und doch fühlte sie sich auf wunderbare Weise an zuhause erinnert.
Sie war jetzt schon verliebt – verliebt in diesen ungewöhnlichen Ort, an dem Geschichte lebendig war und wo sie sich mit allen Sinnen wohlfühlte.
Bubbi for Präsident – ein Dorf nimmt’s sportlich
Nach dem entspannenden Abstecher ins Antike stieß Dayami wieder zur Gruppe beim Abendessen.
Im Gasthaus Scherer war für sie eine lange Tafel gedeckt, zusammen mit anderen Programmteilnehmern und einigen Dorfbewohnern.
Es gab Dibbelabbes – ein deftiges Kartoffelgericht – und zur Begrüßung einen heimischen Moselwein. Die Stimmung war ausgelassen. Bald schon erzählte jeder von seiner Heimat.
Als Dayami dran war, schilderte sie mit leuchtenden Augen Havanna: vom Malecón, von Salsa-Partys am Strand und dem besten Mojito, den man sich vorstellen konnte.
Die Saarländer hörten gebannt zu. Einer der älteren Herren – offensichtlich der Bürgermeister in Freizeitkleidung – klopfte anerkennend auf den Tisch: „Da bekommt man ja gleich Lust zu tanzen, chica!“
Gerade wollte Dayami spontan ein paar Salsa-Schritte vorführen, da stimmten ein paar Jugendliche am Nebentisch einen Sprechgesang an: „Bubbi! Bubbi! Bubbi for Prä-si-dent!“.
Schlagartig lachte der halbe Saal und fiel in den Ruf ein. Dayami hielt inne, verblüfft. Was hatte es damit auf sich?
Dominika beugte sich zu ihr und erklärte schmunzelnd: „Ach, das ist so eine lokale Insider-Geschichte. Bubbi for Präsident – das fing als Witz an und ist jetzt so etwas wie unser Dorf-Meme.“
Neugierig fragte Dayami nach. Dominika erzählte, dass „Bubbi“ eigentlich der Spitzname eines ansässigen Braumeisters sei, der vor Jahren im Spaß angekündigt hatte, Präsident werden zu wollen – wovon, wusste keiner so genau.
Doch statt in der Versenkung zu verschwinden, entwickelte sich Bubbi for Präsident zu einer Art politischer Fitnessbewegung im Dorf. „Jeden Morgen um sechs macht Bubbi mit allen, die Lust haben, Gymnastik vorm Rathaus – als Symbol dafür, dass Politik auch Bewegung braucht!“ kicherte Dominika.
Und jeden Freitag gibt es einen Stammtisch, wo die verrücktesten Ideen diskutiert werden, wie man das Dorf „in Schuss“ hält – körperlich wie geistig.“
Dayami musste laut lachen. Die Vorstellung war köstlich: Morgengymnastik mit politischem Anstrich, vielleicht wurden dabei Parolen gerufen wie „Ein gutes Plank-Training für eine starke Gemeindesatzung!“ oder „Jumping Jacks für die Demokratie!“.
Sie konnte gar nicht anders, sie verliebte sich augenblicklich in diese schräge, liebenswerte Idee. So etwas würde es in Havanna vermutlich nicht geben – das war einzigartig saarländisch und absolut bezaubernd in seiner Schrulligkeit.
„Morgen früh um sechs bin ich dabei!“, verkündete Dayami spontan mit funkelnden Augen. Die Dorfbewohner jubelten und prosteten ihr zu. Offensichtlich hatte sie mit ihrer Begeisterung schon ein paar Herzen gewonnen.
Treffen mit Dominika Schalk-Freudiger
Am nächsten Tag wachte Dayami noch vor dem Weckerklingeln auf – ihre innere Uhr war durch die Zeitverschiebung ohnehin durcheinander, und die Aufregung tat ihr Übriges.
Um kurz vor sechs schlich sie sich in Sportkleidung hinaus vors Rathaus.
Und tatsächlich: In der morgendlichen Dämmerung stand eine kleine Gruppe bereit, angeführt von einem Mann in Trainingsanzug, der eine Trillerpfeife um den Hals trug.
Bubbi, vermutete Dayami, und richtig – der stämmige Fünfziger mit Schnauzbart begrüßte sie prompt: „Mojens! Na, frisch aus Kuba und direkt dabei, Respekt!“ Er gab ihr kumpelhaft die Faust, was Dayami kichernd erwiderte.
Dann begann das wohl ungewöhnlichste Workout ihres Lebens: Armkreisen mit politischen Parolen, Kniebeugen im Takt eines umgedichteten kubanischen Revolutionsliedes (statt „¡Viva la Revolución!“ rief die Runde „¡Viva la Kommunalverwaltung!“). Dayami kam aus dem Lachen gar nicht heraus und machte eifrig mit.
Bubbi brüllte Kommandos: „Und eins und zwei – mehr Einsatz, Leute, wir müssen fit werden für die nächste Bürgerversammlung!“, während ein älterer Herr mit schlohweißem Haar an der Seite schnaufend mitzog und rief: „Für Borg und die Satzung!“.
Nach dieser schweißtreibend-witzigen Einheit fühlte sich Dayami hellwach. Dominika, die auch mit von der Partie war und erstaunliche Liegestütze hingelegt hatte, wischte sich lachend den Schweiß von der Stirn.
„Na, alles fit? So fängt man hier den Tag an.“ Dayami nickte begeistert. Gemeinsam gingen sie zum Frühstück ins Dorfcafé.
Bei frischen Brötchen und Lyoner (eine typische Wurstspezialität, die Dayami zugegebenermaßen merkwürdig fand, aber probierte) unterhielten sich die beiden Frauen.
Dominika wollte alles über Dayamis Leben in Kuba wissen, und Dayami fragte im Gegenzug neugierig über Dominikas Rolle im Dorf. Es stellte sich heraus, dass Dominika Schalk-Freudiger nicht nur die Programmorganisatorin war, sondern auch im Gemeinderat saß und für Kultur und Jugend zuständig war. Kein Wunder also, dass sie so begeistert war von neuen Ideen. „Weißt du“, sagte Dominika nachdenklich, „unsere Verwaltung hier ist manchmal etwas festgefahren. Alle sind sehr stolz auf ihre Traditionen, aber ein frischer Wind – wie du ihn mitbringst – kann Wunder wirken.“ Dayami spürte die herzliche Offenheit, die von Dominika ausging. Hier saß keine bürokratische Beamtin, sondern eine Frau voller Humor (ihr Nachname „Schalk-Freudiger“ schien wirklich Programm zu sein) und Tatendrang. Die beiden verstanden sich auf Anhieb blendend. Es fühlte sich an, als hätte Dayami in der Fremde eine Freundin gefunden.
Salsa & Satzung: Wenn Verwaltung das Tanzbein schwingt
In den folgenden Tagen tauchte Dayami immer tiefer in das Dorfleben ein. Tagsüber gab es Workshops im Rahmen des Programms – sie lernte etwas über lokale Verwaltungsstrukturen, und im Gegenzug brachte sie ihre eigene Perspektive ein, etwa wie in Kuba Kulturprojekte organisiert werden. Dabei fiel Dayami etwas auf: So sehr die Saarländer ihr Herz auf der Zunge tragen und beim Frühschoppen lautstark debattieren konnten, so stocksteif wurden manche, sobald es um Vereinsstatuten oder Gemeindesatzungen ging. Bei einem Treffen des Heimatvereins, dem sie beiwohnte, wurde beispielsweise stundenlang im Monoton-Modus Paragraph um Paragraph vorgelesen – die Gesichter der Anwesenden wurden immer länger und gelangweilter. Dayami konnte das kaum ertragen; sie war ein Mensch, der am liebsten lachte und tanzte, um durchs Leben zu gehen.
Nach dem Treffen hatte sie eine verrückte Idee. Warum die Dinge nicht kombinieren? Wieso sollte eine Satzung nicht mit ein bisschen Salsa gewürzt werden? Immerhin fingen beide Wörter mit „Sa“ an – wenn das kein Zeichen war! Dayami sprudelte förmlich vor Kreativität. Sie erzählte Dominika von ihrer Eingebung: Ein Programm namens „Salsa & Satzung“, bei dem Verwaltungsmeetings oder trockene Vereinsabende mit Tanz und Musik aufgelockert werden. Die Idee war so überdreht, dass Dominika zunächst einen Moment brauchte – doch dann begann ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht zu leuchten. „Weißt du was? Das probieren wir aus! Warum nicht? Unser Dorf wollte doch innovative Kulturideen. Das ist innovativ!“
Gesagt, getan. Dominika nutzte all ihren Einfluss im Gemeinderat und beim Heimatverein, um einen besonderen Abend auf die Beine zu stellen. Es wurde plakatiert: „Salsa & Satzung – Schwung für unsere Satzungen!“.
Manche waren skeptisch, andere neugierig. Bubbi fand es großartig: Er bot sofort an, als DJ aufzulegen („Ich mix euch kubanische Beats mit saarländischem Schunkelrhythmus!“ verkündete er stolz).
Der Plan: In der großen Scheune am Ortsrand – dort wo sonst Feuerwehrfeste stattfanden – sollten Dorfbewohner zusammenkommen. Es würde zu Beginn einen kleinen offiziellen Teil geben, wo Dayami etwas über kubanische Vereinsorganisation mit Witz erzählen würde, und danach würde die trockene lokale Vereinssatzung tatsächlich vertanzt.
Ein Abend voller Tanz und Politik
Der Abend von „Salsa & Satzung“ kam schneller als gedacht. Dayami war aufgeregt. In der Scheune hatten Helfer Girlanden in den Farben Kubas und Deutschlands aufgehängt, neben einem Banner mit einem tanzenden Paragraphenzeichen. Ein Hauch von Party lag in der Luft. Dennoch waren auch Klappstühle für einen „offiziellen Teil“ aufgereiht. Etliche Dorfbewohner waren erschienen – jung und alt. Man hörte Gemurmel: „Mal sehen, was das gibt...“, „Hast du schon deine Tanzschuhe an, haha?“.
Zu Beginn trat der Vereinsvorsitzende ans Mikrofon, um wie gewohnt das Meeting zu eröffnen. Doch anstatt in endlose Begrüßungsfloskeln zu verfallen, hatte Dominika ihm augenzwinkernd ein Zeichen gegeben: kurz fassen. Überraschend knapp erklärte er also, heute werde man etwas Neues wagen. Dann übergab er an Dayami.
Dayami strahlte in die Runde. Sie begann auf Deutsch, manchmal suchend, doch mit charmantem Akzent: „Guten Abend, liebe Borg-Bewohner! Ich komme aus Kuba, wo Musik und Tanz zum Alltag gehören.
Wir tanzen, wenn wir glücklich sind, wir tanzen, um Sorgen zu vergessen – und vielleicht können wir ja sogar tanzen, um Paragrafen besser zu verstehen!“ Einige lachten, andere klatschten vorsichtig.
Sie erzählte, wie sie in Havanna erlebt hatte, dass Gemeinschaftsgefühl oft durch spontane Straßentänze entstand. „Warum also nicht hier beim Lesen eurer Satzung auch ein bisschen Bewegung?
Euer Bubbi for Präsident
zeigt ja, dass ihr Spaß und Ernst wunderbar verbinden könnt.“ Bei der Erwähnung von Bubbi johlte dieser – er stand mit verschränkten Armen hinten im Raum und grinste breit – und hob den Daumen.
Nun kam der große Moment: Die Musikanlage sprang an und es erklangen die ersten Takte von kubanischer Salsa-Musik. Dayami schnappte sich das Mikro und forderte alle auf, aufzustehen. „Erst wärmen wir uns kurz auf – kennt ihr ja vom Bubbi! – und dann werde ich euch ein paar Paragraphen vorlesen.
Aber keine Angst, niemand muss still sitzen.“ Die ersten Takte ließen niemanden kalt. Tatsächlich begannen einige, die Hüften zu wiegen. Dominika stellte sich neben Dayami und zusammen demonstrierten sie einfache Salsa-Schritte.
Gelächter brandete auf, als sogar der steife Vereinsvorsitzende mit roten Ohren versuchte mitzuwippen.
Dann nahm Dayami ein Blatt Papier – die Vereinssatzung – und schlug einen übertrieben feierlichen Ton an: „§1: Der Zweck des Vereins ist...“ Dabei schnippte sie mit den Fingern im Takt.
Dominika fiel ihr ins Wort – jedoch nicht zum Stoppen, sondern singend: Sie hatte den Satz spontan rhythmisch wiederholt. Ein paar in der Menge klatschten mit. So ging es weiter: Paragraphen-Karaoke mit Salsa-Beat. Immer wenn ein besonders verschachtelter deutscher Satz kam, stöhnte Dayami theatralisch und alle lachten.
Zwischendurch rief Bubbi aus dem Hintergrund: „Ole, ole – Verwaltung olé!“ – was nochmal für Heiterkeit sorgte.
Bald hielt es niemanden mehr auf den Stühlen. Die Musik wurde lauter gedreht und das offizielle Papier beiseitegelegt. Jetzt wurde richtig Salsa getanzt. Dayami führte eine spontane Polonäse an, die durch die Scheune und hinaus in den Hof führte. Dort, unter dem milden Abendhimmel, vereinten sich karibische Tanzlust und saarländische Lebensfreude zu einem unvergesslichen Spektakel. Sogar der Mond schien lachend über Borg zu stehen (oder war das nur der funkelnde Spiegelball, den Bubbi irgendwo aufgehängt hatte?).
Liebe im römischen Bad?
Nach diesem Erfolg fühlte sich Dayami wie auf Wolken. Die Dorfbewohner bedankten sich herzlich; viele sagten, so einen lustigen Vereinsabend habe es noch nie gegeben. Einige ältere Damen schwärmten: „Endlich bewegen sich unsere Männer mal! Das müssen wir wiederholen.“ Dominika und Dayami fielen sich glücklich in die Arme – ihr verrücktes Experiment war gelungen. Das „Salsa & Satzung“-Programm war geboren und sollte fester Bestandteil des Kulturaustauschs werden.
Später in der Nacht, als alle längst zuhause waren, konnte Dayami vor lauter Eindrücken nicht schlafen. Sie beschloss, noch einmal einen Spaziergang zur Villa zu machen, wo alles in ruhiger Dunkelheit lag. Die Tür zum römischen Bad war unverschlossen – vermutlich hatte man sie für sie offen gelassen. Mit einem Schmunzeln trat sie ein. Drinnen war es dämmrig, nur ein paar Fackeln spendeten Licht. Das warme Wasser des caldariums dampfte leise vor sich hin.
Dayami legte einen Schal und ihre Jacke ab. Sie tauchte die Hand ins warme Wasser und schloss genießerisch die Augen. Was für Tage lagen hinter ihr! Sie hatte hier in Borg nicht nur Neues gelernt, sie hatte ihr Herz verloren – an diesen Ort, an die Menschen, an eine verrückte Idee namens „Bubbi for Präsident“ und an dieses Bad, das ihr nun fast wie ein Vertrauter vorkam. Mit einem Lächeln ließ sie sich an den Beckenrand gleiten, die Füße baumelten im Wasser. In Gedanken dankte sie dem Schicksal (und wohl auch Dominika, die diese Einladung ausgesprochen hatte).
In diesem Moment hörte sie ein leises Geräusch. Verwundert blickte sie sich um. Aus dem Schatten trat – nein, nicht Dominika, nicht Bubbi – eine römische Statue! Genauer gesagt, eine lebendig gewordene Statue des Gottes Bacchus, die tagsüber im Museumsteil stand. Bacchus, der Weingott, grinste sie schelmisch an und hob einen unsichtbaren Kelch. „Salve, Dayami“, schienen seine steinernen Lippen zu flüstern, „weiter so – du bringst Leben in diese alten Mauern!“ Dayami zwinkerte verblüfft. Vielleicht war es die Müdigkeit, vielleicht die noch überschäumende Freude, aber sie neigte dankbar den Kopf in Richtung der Statue: „¡Salud, Bacchus! Prost auf dieses wunderbare Abenteuer.“ Und in ihrer Vorstellung stieß sie mit dem Gott an – Moselwein für ihn, Guavensaft für sie.
Ein Dorf im Salsa-Fieber
Am nächsten Morgen wachte das Dorf mit leichtem Muskelkater, aber strahlender Laune auf. In den Straßen hörte man beim Bäcker und Metzger überall Lob für den gestrigen Abend. „Hast du gesehen, wie der Herbert getanzt hat?“, „Unsere Satzung hab ich mir nie so gut gemerkt wie jetzt, haha!“ Die Kombination aus Salsa und Satzung hatte tatsächlich Wirkung gezeigt: Plötzlich wusste jeder, worum es in den Vereinsregeln ging, weil man sie im Spaß verinnerlicht hatte.
Dayami schlenderte durch den Ort, und jede*r grüßte sie herzlich. Kinder winkten („Machst du wieder Musik für uns, Dayami?“), die Senioren luden sie auf ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte ein – obwohl das gar nicht saarländisch war, aber egal. Die Sonne schien, und es schien, als hätte Dayami mit ihrem karibischen Wirbelwind die Herzen aller gewonnen. Sie selbst fühlte sich ebenfalls beschenkt: Sie hatte in Borg ein Stück Heimat gefunden, unerwartet und doch willkommen.
Dominika kam ihr entgegen, auf dem Fahrrad, und bremste mit einem gekonnten Schwung neben ihr. „Guten Morgen, du Dancing-Queen! Bereit für unser nächstes Projekt?“ Dayami lachte: „Oh, gibt’s schon eine neue verrückte Idee?“ Dominika hob bedeutungsvoll die Augenbrauen: „Nun, sagen wir, nach Salsa & Satzung fragte der Sportverein, ob wir nicht etwas Ähnliches für ihre Versammlungen machen könnten... vielleicht Merengue & Satzungsrevision?“ Beide lachten hell auf. Natürlich würden ihnen die Ideen nicht so schnell ausgehen.
Beim Weitergehen fiel Dayamis Blick auf ein kleines, schmiedeeisernes Schild am Wegesrand. Darauf stand in verschnörkelten Buchstaben „Villa Borg“ und darunter, mit Kreide offenbar frisch ergänzt: „Bienvenido, Dayami!“. Es war, als hätte das Dorf selbst ihr ein Willkommensschild aufgestellt. Rührung überkam sie. In so kurzer Zeit war sie Teil dieses Mikrokosmos geworden.
Fazit: Wenn Kulturen verschmelzen
Am Ende ihrer Zeit in Borg würde Dayami zurück nach Kuba fliegen – aber sie würde mehr im Gepäck haben als Souvenirs. Sie würde Geschichten mitnehmen, die kein Reiseleiter je hätte planen können: Wie sie morgens mit einem exzentrischen Saarländer namens Bubbi Gymnastik zu politischen Slogans gemacht hatte. Wie sie im römischen Bad das Flair antiker Wellness genossen und dabei einen imaginären Toast mit einem Gott aus Stein ausgebracht hatte. Wie sie zusammen mit Dominika Schalk-Freudiger ein ganzes Dorf zum Tanzen brachte, Bürokratie und Lebensfreude vereint in einer Salsa-Nacht.
Diese satirische Kurzgeschichte zeigt, dass Unterschiede in Kultur und Verwaltung mit Humor und Offenheit überbrückt werden können. In Borg jedenfalls hat Dayami bewirkt, dass die Römervilla nicht nur ein Museum ist, sondern ein lebendiger Treffpunkt der Kulturen – mit karibischem Rhythmus, römischem Charme und saarländischem Herzblut. Und wer weiß: Vielleicht wird eines Tages Bubbi tatsächlich „Präsident“ – Präsident der vereinten fröhlichen Herzen von Villa Borg, mit Dayami als Ehrenmitglied seiner Bewegung.
Am Schluss bleibt ein Bild hängen: Dayami, tanzend im Innenhof der Villa Borg, umringt von lachenden Saarländern in Toga-Kostümen (denn nach dem Erfolg des Programms kam jemand auf die Idee, römische Kostüme mit Salsa zu kombinieren – aber das ist eine andere Geschichte...). Über ihnen funkeln die Sterne, und aus einem mitternächtlichen Fenster klingt das Echo eines kubanischen Liedes, das nahtlos in ein saarländisches Volkslied übergeht. Lokalkolorit und karibische Würze – eine unschlagbare Kombination, die dieses Dorf und Dayami für immer miteinander verbinden wird.
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